Haben Arbeitnehmer, die aufgrund einer Anordnung des zuständigen Gesundheitsamtes unter Quarantäne gestellt werden oder denen gegenüber ein berufliches Tätigkeitsverbot erteilt wird, einen Anspruch auf Lohnzahlung?
Die Gesundheitsämter können im Zusammenhang mit einer aufgetretenen Covid-19-Infektion aber auch bereits bei einem konkretem Verdacht für eine Infektion Personen unter Quarantäne stellen oder diesen gegenüber ein berufliches Tätigkeitsverbot aussprechen.
Der Arbeitgeber schuldet in diesem Fall mangels erbrachter Arbeitsleistung keinen Arbeitslohn. Allerdings besteht für Arbeitnehmer, die von einer solchen Anordnung betroffen sind, ein Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz (IFSG). Der Gesetzgeber hat diesen Anspruch der Arbeitnehmer jedoch dahingehend ausgestaltet, dass der Arbeitgeber diese Entschädigung an den Arbeitnehmer zu zahlen hat, jedoch seinerseits die entstandenen Kosten auf Antrag ersetzt bekommt. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass ein entsprechender Erstattungsanspruch fristgebunden innerhalb von drei Monaten gemäß § 56 Abs. 11 IFSG geltend gemacht werden muss. Der Beginn der Frist zur Geltendmachung des Anspruches ergibt sich aus vorstehenden Vorschrift.
Besteht nicht nur ein Verdacht auf eine Covid-19-Erkrankung, sondern erkrankt der Arbeitnehmer, dem gegenüber eine behördliche Anordnung ergangen ist, tatsächlich an der Virusinfektion, so hat er im Grundsatz neben dem genannten Entschädigungsanspruch einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Lohnfortzahlung wegen Krankheit, wie in jedem gewöhnlichen Fall einer Erkrankung. Diese Lohnfortzahlung schuldet der Arbeitgeber.
Die Frage, ob dem Arbeitgeber auch in diesem Fall, trotz der eigenen Verpflichtung zur Lohnfortzahlung, einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem jeweiligen Bundesland nach dem IFSG zusteht, ist aktuell nicht abschließend geklärt, auch wenn aus unserer Sicht vieles dafürspricht. Wir raten aber auch in diesem Fall unbedingt dazu, einen entsprechenden Entschädigungsantrag fristgerecht zu stellen.
Haben Sie als Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer überhaupt einen Anspruch, dass dieser Ihnen eine Erkrankung mit Covid-19 mitteilt?
Grundsätzlich gilt, dass Sie als Arbeitgeber kein Recht haben, den Grund der Arbeitsunfähigkeit zu erfahren, sondern nur über das grundsätzliche Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit informiert werden müssen.
Ob dieser Grundsatz auch im Fall einer Covid-19-Erkrankung gilt, ist aktuell Gegenstand juristischer Diskussionen und wird letztlich wohl erst durch Gerichte abschließend geklärt werden können. Unserer Ansicht nach bestehen jedoch gute Gründe für die Annahme, dass soweit es sich um eine konkrete Covid-19-Erkrankung handelt, ein Auskunftsanspruch des Arbeitgebers besteht. Sie als Arbeitgeber trifft eine Fürsorgepflicht gegenüber Ihren Arbeitnehmern. Sofern ein Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt ist, sind Sie als Arbeitgeber vor dem Hintergrund Ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet, die Situation in Ihrem Betrieb neu zu bewerten und ggf. weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dieser Verpflichtung können Sie jedoch nur dann nachkommen, wenn Sie um die veränderte Situation wissen.
Welche Ansprüche haben Arbeitnehmer, die sich in eine „freiwillige“ Quarantäne begeben?
Aktuell werden von vielen Seiten Appelle an Personen gerichtet, die aus „Risikogebieten“ zurückkehren, sich selbst unter „Quarantäne“ zu stellen. Hierbei gilt grundsätzlich, dass ein Mitarbeiter, der sich ohne behördliche Anordnung selbst eine Quarantäne auferlegt für diese Zeit keinen Anspruch auf Lohnzahlung hat.
Im Hinblick auf die, dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen des Mitarbeiters, sollten unseres Erachtens die Arbeitgeber hier dennoch großzügig sein und in diesen Fällen versuchen individuelle Lösungen mit ihren Mitarbeitern zu verhandeln.
Ob eine solche „Selbstquarantäne“ möglicher Weise auch arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Mitarbeiter haben kann, hängt von dem Einzelfall ab, da in diesen Fällen vor der Einleitung arbeitsrechtlicher Maßnahmen durch den Arbeitgeber eine Interessenabwägung vorzunehmen ist und das Interesse und die Intention des Mitarbeiters sich die „Selbstquarantäne“ aufzuerlegen, angemessen zu berücksichtigen ist.
Welche Ansprüche haben Arbeitnehmer, die aufgrund einer geschlossenen Betreuungseinrichtung (Schule, KITA) die Betreuung ihrer Kinder selbst übernehmen müssen?
Es wird in vielen Foren diskutiert, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aufgrund der kurzfristig in Bayern zwischenzeitlich fast bundesweit angeordneten Schließung von Kitas und Kindergärten für betreuungsbedürftige Kinder keine Betreuungsmöglichkeit gefunden haben und daher nicht zur Arbeit erschienen sind, unter Umständen gleichwohl einen Anspruch auf ihren Arbeitslohn haben. Ein solcher Anspruch kann sich ggf. aus § 616 BGB ergeben. Nach dieser Norm wird der Arbeitnehmer den Anspruch auf Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist.
Der Anspruch besteht grundsätzlich nur dann, wenn ein betreuungsbedürftiges Kind vorhanden ist, dem Arbeitnehmer eine andere Betreuungsmöglichkeit nicht zur Verfügung gestanden hat und in der Person des Arbeitnehmers liegende Verhinderungsgrund nur für eine nicht erhebliche Zeit vorliegt.
Wir gehen aktuell davon aus, dass soweit die Kinder nicht älter als acht Jahre sind, einiges dafür spricht, dass von einer Betreuungsbedürftigkeit auszugehen ist, bei Kindern bis zu 12 Jahre dürfte es auf die konkreten Umstände ankommen. Insgesamt wird immer auf die konkrete Betreuungssituation im Einzelfall abzustellen sein. Darüber hinaus dürfte dem Arbeitnehmer auf Grundlage dieser gesetzlichen Norm ein Lohnanspruch nur für einige wenige Tage zustehen.
Im Hinblick darauf ist der Streit unseres nur theoretischer Natur, da aufgrund der bisherigen Ankündigungen von einem längerfristigen Ausfall der Schulen und wohl auch KITAs bis mindestens nach den Osterferien auszugehen ist. Im Übrigen ist die Norm des § 616 BGB in einer Vielzahl von Arbeitsverträgen auch zulässigerweise abbedungen oder z.B. in anwendbaren Tarifverträgen auch stark eingeschränkt (z.B. § 29 TvöD).
Drohen dem Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen, wenn er aufgrund der Betreuung seiner Kinder nicht zur Arbeit erscheint?
In diesem Fall ist eine Interessenabwägung zwischen den betrieblichen Interessen und den individuellen Interessen des Arbeitnehmers vorzunehmen. Wir gehen davon aus, dass solange der Arbeitnehmer betreuungsbedürftige Kinder hat und nachweisen kann, dass er trotz aller Bemühungen um eine Betreuung eine solche nicht organisieren konnte, der Arbeitgeber keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen in Erwägung ziehen sollte. Allerdings obliegt dem Arbeitnehmer im Streitfalle die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine anderen Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Der Arbeitnehmer hat sich grundsätzlich so zu organisieren, dass er seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachkommen kann.
Welche Auswirkung hat das durch Allgemeinverfügung der Bayerischen Staatsregierung vom 16.03.2020 verkündigte Gebot zur Schließung einer Vielzahl von Geschäftsbetrieben auf die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers?
Diese Frage ist unter Juristen aktuell sehr umstritten. Die Frage entscheidet sich letztendlich danach, wer das Risiko des Betriebsausfalles zu tragen hat. § 615 S. 3 BGB regelt in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber in den Fällen, in denen er das Betriebsrisiko trägt, den Arbeitnehmern trotz fehlender Arbeitsleistung den Lohn fortzahlen muss. Die juristische Diskussion in diesem Zusammenhang dreht sich insbesondere um die Frage, ob sich in den aktuellen Ereignissen ein besonderes Betriebsrisiko oder nicht vielmehr ein allgemeines Lebensrisiko realisiert.
Hier lassen sich mit guten Argumenten beide Ansichten vertreten. Rechtssicherheit wird hier nur durch gerichtliche Entscheidungen geschaffen werden können.
Einen Lösungsansatz bietet die nunmehr durch die Bundesregierung mit erheblichen Erleichterungen versehene Möglichkeit der Kurzarbeit und dem Bezug von Kurzarbeitergeld.
Es wird teilweise die Ansicht vertreten, dass im Falle der aktuellen Schließung auf Grundlage der Allgemeinverfügung ein Erstattungsanspruch nach § 56 IFSG (s.o.) gegenüber dem jeweiligen Bundesland besteht. Auch hier kann keine abschließende Empfehlung ausgesprochen werden. Ein Erstattungsanspruch kann jedoch grundsätzlich nur in der Höhe bestehen, in welcher auch tatsächlich Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer geleistet wurden.
Welche Auswirkung hat die Schließung des Betriebes oder eines Betriebsteils aufgrund einer konkreten, auf das Unternehmen bezogenen behördlichen Anordnung auf die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers?
In der aktuellen Situation haben die Gesundheitsämter das Recht unter gewissen Voraussetzungen auf Grundlage des § 28 IFSG Betriebsteile oder ganze Betriebe zu schließen.
Arbeitgeber sollten in jedem Falle darauf bestehen, dass diese Anordnung dokumentiert ist, das heißt sofern die Behörde die Anordnung mündlich ausspricht, diese schriftlich bestätigt wird.
In diesem Fall besteht unseres Erachtens gegenüber dem jeweiligen Bundesland der oben genannte fristgebundene Erstattungsanspruch nach § 56 IFSG.
Kann im Fall einer angeordneten Schließung oder bei einem Auftragsrückgang die Arbeitszeit reduziert werden?
Eine Reduzierung der Arbeitszeit ist grundsätzlich nur im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich. Sollte der Arbeitnehmer einer Reduzierung der Arbeitszeit nicht zustimmen, muss der Arbeitgeber, sofern er eine Kürzung dennoch durchführen möchte, eine Änderungskündigung aussprechen.
Ist eine Zwangsbeurlaubung durch den Arbeitgeber möglich?
In „normalen“ Zeiten ist eine kurzfristige „Zwangsbeurlaubung“ von Mitarbeitern wegen betrieblicher Gründe ausgeschlossen. Auf Grund der vorliegenden Krisensituation, die zu einer Gefährdung des Unternehmensbestandes führen kann und in einigen Fällen auch führen wird, kann die Zwangsbeurlaubung tatsächlich ein zulässiges Mittel sein. Allerdings bedarf es hier wiederum einer umfassenden Interessenabwägung zwischen den sozialen Belangen des Arbeitnehmers und den dringenden betrieblichen Interessen. Es ist immer nur eine Einzelfallentscheidung möglich.
Grundsätzlich sollte gerade in der jetzigen Situation eine einvernehmliche Regelung über die Urlaubsgewährung herbeigeführt werden können.
Was bedeutet Kurzarbeitergeld (Kug) und unter welchen Voraussetzungen kann dies beantragt werden?
Bei Kurzarbeitergeld handelt es sich um eine auf max. zwölf Monate befristete staatliche Ersatzleistung, die Arbeitnehmern auf Antrag gewährt wird, die aufgrund eines vorübergehenden Arbeitsausfall weniger oder keinen Lohn erhalten. Rechtsgrundlage hierfür sind §§ 95 ff. SGB III.
Die Bundesregierung hat aktuell, vorläufig befristet bis zum 31.12.2020, die Voraussetzungen für den Bezug des Kurarbeitergeldes herabgesetzt: Ein entsprechender Antrag kann gestellt werden, wenn in einem Betrieb ein unvermeidbarer, erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall bei mindestens 10 % der Belegschaft vorliegt. Es besteht sogar die Möglichkeit die Arbeitszeit befristet auf „0“ zu reduzieren.
Kurzarbeit, die mit der Änderung der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer einhergeht, kann grundsätzlich nicht einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden, sondern muss mit den Mitarbeitern vereinbart werden. Wir raten an erforderlichenfalls eine schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer zu treffen. Darüber hinaus kann auch bereits ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung die Möglichkeit zur Anordnung von Kurzarbeit bereits vorsehen.
Wird Kurzarbeit vereinbart, ist der Arbeitgeber zur Vorleistung des dann reduzierten Lohnes verpflichtet. Arbeitnehmer erhalten einen pauschalierten Betrag in Höhe von 60 % des Nettoentgelts, bzw. in Höhe von 67 %, sofern in ihrem Haushalt mindestens ein Kind lebt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung zur weiteren Entlastung der Arbeitgeber beschlossen, dass die Sozialversicherungsbeträge, die bei der Kurzarbeit üblicherweise alleine durch den Arbeitgeber zu tragen sind, ebenfalls dem Arbeitgeber erstattet werden. Dies bedeutet für den Arbeitgeber, dass, sofern er die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug erfüllt, während der Dauer der Kurzarbeit von erheblichen Lohnzahlungspflichten entlastet wird.
Bei weiteren Fragen hierzu stehen Ihnen Herr Rechtsanwalt Ulrich Koos oder Herr Rechtsanwalt Daniel Grünewald gerne zur Verfügung.
Bleiben Sie gesund